Geld haben. Geld brauchen. Geld wollen. Nach Geld fragen???
- Maël
- 14. Dez. 2021
- 8 Min. Lesezeit
Ein Prozess des Bittens, des Einstehens, des Loslassens, und des Annehmens. Oder auch: Schwimmen lernen im Geldfluss
Diesen Sommer durfte ich einen spannenden Prozess bezüglich des Themas Geldes erfahren. Wenn ich sage, das Thema ging um Geld, ist das eigentlich sehr vereinfacht gesagt. Im Grunde wurden viele Themen dadurch berührt, dass ich für etwas, was mir wichtig erschien, mich nicht genug im Geldfluss fühlte. Ich wollte eine Vision Quest machen. Um genau zu sein eine „Männer Visionssuche“ und zwar, weil ich frischer Papa geworden bin. Während es nämlich alle möglichen Geburtsvorbereitungs- und -nachbereitungskurse, Schwangerschaftsyoga-Seminare und „Sharing“-Gruppen für werdende oder frische Mütter im allgemeinen Angebot gab, musste ich mich mit ein paar wenigen eher schlechten, weil angsteinflößenden, Vaterbüchern abfinden. Das war mir nicht genug und ich hatte auch nicht den Eindruck, dass überhaupt irgendwelche Bücher mir das geben konnten, wovon ich glaubte, dass es wichtig für mich sei. Nicht, dass ich mich nicht bereit fühlte Papa zu sein. Es war zwar tatsächlich eine große Überraschung, dass mein Leben innerhalb von neun Monaten eine solch krasse Wendung erfuhr, doch genoss ich die ersten Monate sehr. Ohne Zweifel konnte ich voll und ganz mit all' meiner Liebe da sein. Vielleicht brauchte ich eigentlich gar nichts weiter, denn ich schien für diesen neuen Lebensabschnitt schon bereit zu sein. Aber ich wollte etwas; Ich wollte eine Initiation zum Vater sein! Einen bewussten, und in einem Ritual begleiteten, Übergang vom freien, jungen Vogel zum hütenden, verantwortungsbewussten Mann. Und ich hatte irgendwie im Gefühl, dass es doch gut sei, mein altes Ich noch einmal anzuschauen, zu heilen, was noch heilen möchte, um es in Liebe gehen zu lassen und meinen Blick, mit einer frischen Klarheit zu dem, was kommen möchte, zu wenden. Die Entscheidung tatsächlich die Initiation zu machen, war allerdings gar nicht so einfach. Denn ein paar Hürden gab es schon. Unser Sohn war ja bereits seit über 4 Monaten auf der Welt und der Gedanke daran, ihn und seine Mutter für zwei Wochen alleine zu lassen behagte mir gar nicht. Da die beiden jedoch bei den (Groß-)Eltern sein konnten, wusste ich, dass gut für sie gesorgt sein würde. Die zweite, weitaus höhere Hürde, war das Geld. Und damit kommen wir zum eigentlichen Thema dieses Berichts. Zwar sind die Vision Quest Anbieter so offen, drei Preise nach Selbsteinschätzung anzubieten, dennoch war selbst der niedrigste Satz von knappen 1400 Euro für mich eine ganz schön große Stange Geld. Denn ich hatte kein regelmäßiges Einkommen, bekam keinerlei staatlichen Zuschüsse und war bisher so frei und habe so simpel gelebt, dass Ich es seltenst nötig hatte mich wirklich gut bezahlen zu lassen. Als ich über diese Schwierigkeit mit Martin, einem der Vision Quest Leitern, sprach, schlug er mir vor, ein Crowdfunding zu starten. Das fand ich zwar eine tolle Idee, jedoch merkte ich einen großen Widerstand, wenn ich mir vorstellte, andere um Geld zu bitten. So etwas macht man einfach nicht! Jedenfalls nicht, wenn man es geschenkt haben möchte! Schulden wollte ich nämlich sicherlich keine ansammeln. Allerdings, so dachte ich mir dann, reicht es ja, wenn viele Menschen nur ein bisschen Geld geben würden. Es gab doch sicherlich einige Leute, die den Wert einer solchen Initation sehen und unterstützen würden, und wenn jede Person ein bis fünf Euro spenden würden, wäre das Geld ja im Nu zusammen. Begeistert schrieb ich einen Text, in welchem ich mein Vorhaben und die Beweggründe schilderte. Da ich sehr optimistisch war, schrieb ich, dass Überschüsse Ersparnisse für meinen Sohn sein sollten. Ich schickte den Text durch das soziale Netz, sowie durch verschiedene Mail-Verteiler. Das Ergebnis war dann doch sehr ernüchternd. Gerade einmal drei Leute überwiesen mir etwas. Spannenderweise viel mehr als ich von Einzelpersonen erwartet hatte, jedoch zusammengerechnet einen Bruchteil von dem, was ich brauchte. War es doch einfach zu dreist, andere um eine Spende zu bitten, die ja nun nicht an Baumpflanz- oder Waisenkinderprojekte ging, sondern einfach in einen völlig individuellen, persönlichen Luxuswunsch? Diese Gedanken waren zwar da, jedoch spürte ich auch einen Widerstand gegen sie. Ich wollte die Leute, erst recht nicht meine Freunde, ja schließlich nicht ausrauben. Vielleicht, so dachte ich mir, sei ihnen nicht bewusst, dass ich auch über eine klitzekleine Spende glücklich sein würde. Denn nicht nur, dass ich den Wert darin sah, wenn viele Menschen ein bisschen geben, ich merkte auch, dass ich mich riesig über die Wertschätzung freute, wenn jemand mir einen Beitrag zur Vater-Initation schenkte. Daher schrieb ich noch einmal einen Text, in welchem ich klarstellte, dass ich einfach schon über die Geste des Supports sehr glücklich sei und es mir gar nicht um Riesenbeträge ginge. Dieses mal war es sehr spannend, dass mir Leute zurückschrieben, die nicht spenden wollten. Denn nicht nur ich hatte so meine Prozesse. Anscheinend ist es den Menschen unserer Kultur nicht nur fern, um Geld zu bitten, sondern auch einer Geldbitte nachzukommen. Die Menschen, mit welchen ich darüber in einen Ausstausch kam, wollten meistens „wenn schon denn schon“, da nicht knausrig sein, hatten allerdings eine große Schwierigkeit mir einfach so Geld zu schenken. Bei manchen lag es verständlicherweise einfach daran, dass sie selbst nicht viel hatten, aber mein Vorhaben eigentlich toll fanden. Allerdings habe ich bis heute nicht begriffen, warum es ihnen doch so schwer viel, wenigstens einen Euro zu spenden. Im Grunde ist dies ja viel mehr als ein symbolischer Beitrag, wenn dies kein Einzelfall sein sollte. Manche versprachen aber auch, während meiner Visionszeit mir ein Gebet oder einen Wunsch zu schicken. Auch das darüber freute ich mich sehr. Bei vielen stellte sich jedoch heraus, dass ihre Schwierigkeit vor allem daher kam, dass sie selbst sich nur schwer vorstellen konnten, um ein Geldgeschenk zu bitten. Stattdessen würden sie eher auf etwas verzichten, auch wenn es etwas sei, dass sie noch so sehr rufen würde. Wir merkten dabei fast jedesmal, dass das eigentlich sehr schade ist. Manche, und auch für diese Ehrlichkeit bin ich äußerst dankbar, fanden es tatsächlich einfach dreist, dass ich andere darum bitte mir etwas zu finanzieren, statt selber dafür arbeiten zu gehen. Das war ein Argument vor dem ich Angst hatte. Denn ich redete mir das leider selber immer wieder ein. Spannenderweise stärkten diese Konflikte jedoch auch meinen Wunsch von anderen Unterstützung zu erfahren. Denn, so stellte ich fest, der Umstand dass ich nicht arbeitete führte dazu, dass ich vollzeitig für meinen neugeborenen Sohn und seine stillende Mutter da sein konnte. Nicht nur, dass das ganz besondere Zeit ist, die ich nicht missen wollen würde. Vor allem kann ich mir nur schwer vorstellen, wie anstrengend es für eine Mutter sein muss, die meiste Zeit alleine zu Hause zu sein und neben der Dauerpräsenz für den Säugling auch noch den Haushalt machen zu müssen. Leider, oder wie ich finde; erschreckenderweise, ist dies die Regel. In mir erwachte der große Wunsch, dass junge Familien von einer Gemeinschaft getragen werden. Egal, ob oder wie viel sie zuvor an Beiträgen in irgendwelche staatlichen Pots geworfen, oder ob sie eine angemessene Leistung einer Firma gegenüber erfüllt haben. Eine Freundin erzählte mir aus ihrem Heimatdorf in Rumänien: Wenn dort ein Paar ein Kind bekommt, dann kommen alle Männer des Dorfes zusammen und bauen der jungen Familie ein Haus und alle Frauen sammeln und erstellen Möbel und Geschirr und was es sonst so braucht. Solche Dorfgemeinschaften gab es einst auch hier. Und leider sind sie selbst in Rumänien am schwinden. Eine Bewegung, welcher ich entgegen wirken würde. Wieso fiel es selbst engen Freunden so schwer, auch nur einen klitzekleinen Beitrag zu meinem Wunsch einer Vater-Initiation zu schenken? War es der Umstand, dass das Geld nicht an uns als Familie, sondern in eine Art Seminar für mich ging? Ja, auch darüber gab es Kommunikation. Ich konnte das nachvollziehen, doch ist in meinen Augen eine Vision Quest viel mehr als ein Seminar. Es ist die Möglichkeit sich intensiv mit einem Lebenswandel zu beschäftigen. Sei es der Übergang von der Jugend zum Erwachsenen sein, sei es eine Krise aufgrund des Todes einer geliebten Person, sei es, im Gegenteil, mit seinem Partner die Kirchenglocken läuten zu lassen, oder eben der Schritt bewusst Eltern sein zu wollen. Und auch da spürte ich einen Wunsch in mir aufkommen; Dass es kein Luxus ist, sondern Normalität, werdenden Müttern und Vätern eine Initiation in ihre neuen, verantwortungsreichen Rollen zu ermöglichen. Bestenfalls würde eine solche Initiation von einer Gemeinschaft getragen werden. Vielleicht sogar mittels eines Finanzpots, so wie auch Kindergeld oder Wohnzuschüsse möglich sind. Was für eine Welt wäre das, in welcher der große Geldfluss junge (oder auch alte) Menschen zu seelisch gesunden Erwachsenen verhilft. Die Neue Welt muss aber erst noch gestaltet werden. Am Ende des entstandenen Prozesses hatte ich, spannenderweise trotz, oder gerade wegen der Schwierigkeiten der Leute, die feste Überzeugung, dass es sehr wohl in Ordnung sei, andere um Geld zu bitten. Vor allem, wenn es etwas ist, was in meinen Augen wichtig und gut für mich, und damit auch für meine Familie ist. Einfach war es dennoch nicht. Aber ich gab mir Mühe. Bald merkte ich, dass es sehr viel mehr Sinn machte einzelne Leute direkt anzufragen, ja bestenfalls mit ihnen zu telefonieren, statt Rundbriefe zu verschicken. Noch schöner wären natürlich persönliche Gespräche von Angesicht zu Angesicht gewesen, aber da mein Freundeskreis sehr verstreut in alle Welten Richtungen lebt, war das kaum möglich. Um ehrlich zu sein war ich, als ich die Vision Quest schließlich antrat, etwas enttäuscht, denn bis dahin waren immer noch „nur“ knappe 400 Euro zusammengekommen. Hauptsächlich, weil zwei Personen mir überraschend hohe Summen schenkten. Aber gut. Ich beschloss die Geldhürde loszulassen. Immerhin zählte für mich jede Unterstützung und 400 Euro waren immer noch eine Menge Geld für mich. Und vielleicht war auch das wichtig für mich. Mir klar zu machen, dass mir meine Vater-Initiation 1000 Euro wert ist. Eine Summe, bei der ich mir ehrlicherweise vor dem ganzen Prozess, selber nicht sicher war, ob eine Vision Quest mir so viel wert sei. Doch jetzt wusste ich es. Und das war ein starkes Gefühl! Ich wollte selber in mich finanzieren und irgendwie, so dachte ich mir, werde ich die 1000 Euro schon stemmen können. So reiste ich am 1. August in die Alpen Norditaliens und verbrachte dort mit einer Horde wilder, zärtlicher Männer eine kraftvolle Zeit, die ich niemals missen wollen würde. Wer mehr darüber lesen möchte, darf gerne HIER draufklicken. Spannenderweise empfing ich, noch während ich auf der Quest war, all das fehlende Geld. Und wieder vor allem wegen eines einzigen wahrlich riesigen Geschenks. Ich muss gestehen, dass ich mit der Annahme dieser hohen Summe auch zu hadern hatte. Erst konnte ich es gar nicht glauben. Aber es freute mich natürlich auch. So durfte ich mich schließlich nicht nur im Fragen, sondern auch im Annehmen schulen. Schlussendlich bin ich vor allem sehr sehr dankbar. Auch danke ich mir selbst dafür, den Mut gehabt zu haben, meine Komfortzone mehrmals zu verlassen und dadurch nicht nur meinen Wunsch erfüllt bekommen zu haben, sondern auch dessen Wert, sowie andere Perspektiven auf meine Wünsche erlangt zu haben. Ich muss auch gestehen, dass mir ein erneutes Crowdfunding nachwievor schwer fallen würde, was vor allem daran liegt, dass vielen das Schenken doch sehr schwer viel und ich mir mitunter dreist vorkam. Dennoch weiß ich nun auch, dass vieles möglich ist, wenn man etwas wirklich will. Als ich das Crowdfunding startete, stellte ich mir vor, dass ich die Summe durch viele viele kleine Spenden erreichen würde. Stattdessen kam sie hauptsächlich durch wenige große Geschenke zusammen. Das überraschte mich insofern, dass ich den Glauben hatte, dass diejenigen, die nichts haben, leicht geben können und diejenigen, die viel haben, nur deshalb viel haben, weil sie nichts abgeben würden. Dieser Glaubenssatz durfte sich glücklicherweise auflösen. Es kommt nicht auf die Menge des Geldbesitzes drauf an, sondern auf die Einstellung, die man zum Geld und vor allem zum Geldfluß hat. Und auf das Gefühl, ob man im Mangel oder in der Fülle lebt. Darüber kann ich selbst noch viel lernen.
Diejenigen die aus ihrer Fülle (egal wie groß, es kommt aufs Gefühl drauf an) Geld frei fließen lassen konnten haben mich selbst beeindruckt und inspirieren mich. Diese Zeilen waren für mich eine wunderbare Reflexion und Integration dieses spannenden Prozesses. Darüber hinaus möchte mit diesen Zeilen andere Menschen anregen, sich mit ihrem Verhältnis zu Geld und zum Wert von Erfahrungen oder Dingen auseinanderzusetzen. Auch hoffe ich, den einen oder anderen zu ermutigen, selbst ein Crowdfunding zu starten. Oder jemanden einfach mal so etwas zu schenken. Sei es für einen persönlichen Wunsch, oder die Weltrettung. Alles hat seinen Wert.
Get out of your comfort zone and explore the world beyond your borders <3
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