RegenReise
- Maël
- 17. Sept. 2022
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. Jan. 2023

Dieses Jahr ziehen wir den Regen hinter uns her. Ein Segen für die Länder, welche wir bereisen. Ein Traum für all Jene, welche diesen Sommer unter der immensen Hitze litten. Eine Hitzewelle, die wir jedoch nie erlebten. Für uns ist dieses Jahr ganz klar ein Regenjahr. Und der Regen war für uns meist weitaus kein Segen, sondern immer wieder ein Alptraum. Grund hierfür ist unser mobiles Heim, unser „Strassenschiff“. Denn es leckt. An Fenstern, Lüftungslöchern, in der Fahrerkabine… Das Wasser fand immer wieder seinen Weg ins Innere. Angefangen hat unsere Odyssee im Januar. Wir kauften dieses Wohnmobil, ein Ford Transit von 1992 mit absetzbarer Wohnkabine, in der Hoffnung unsere Reise etwas komfortabler gestalten zu können. Der Verkäufer versicherte uns, dass die Kabine trocken sei. Als wir begannen die scheusslich hässliche Wandverkleidung zu entfernen und die monströse Duschkabine abzureissen, gab es den ersten Schock: Zwei der vier Wände, sowie die Decke der Duschkabine waren völlig durchnässt und der Boden unter der Duschkabine rottete offensichtlich schon länger vor sich hin. Da gab es nicht viel Alternativen: Boden raus, Heizlüfter rein und über das ganze Gefährt eine Plane spannen. Da der hessische Winter uns nicht viel Sonnentage gönnte, suchten wir nach einem trockenen Unterstand für unsere Reparaturarbeiten, was sich aufgrund der über 3 Meter Höhe und mehr als 6 Meter Länge als gar nicht so einfach erwies. Schliesslich konnten wir das Schiff jedoch zeitweise in einen trockenen, wenn auch offenen, Hafen bringen und wir begannen die Abdichtungsarbeiten. Dekaseal, 3M - Abdichtungsband, sowie Captain Tolleys Dichtungsmittel waren einige der vielen Zauberprodukte, welche wir, in der Hoffnung auf Erfolg, nacheinander ausprobierten. Natürlich alles pure Chemie und nicht wirklich ein Spass in der Verarbeitung. Leider war der Erfolg nur mässig, denn all diese Produkte setzen eine Mindesttemperatur voraus, welche auch im Februar nur sehr schwer erreicht wurde. So verschoben wir nach mehrmaligen Versuchen die Abdichtung auf später, zogen wieder die grosse Plane über unser Gefährt und kümmerten uns erst mal um den Innenausbau; Da wir mit unseren 3 Tonnen Leergewicht auf jedes Pfündchen achten mussten, wählten wir als Wand- und Deckenverkleidung mit Lehmfarbe bemalte Weichfaserplatten. Das war ausserdem günstig und für die Raumluft sehr viel freundlicher als irgendwelche verleimten Platten. Des weiteren entschieden wir uns für einen Korkboden. Das sollte unser zukünftiges Heim etwas gemütlicher machen. Und tatsächlich; das olle, düstere, viel zu enge und müffelnde Reisezimmer alter Leute verwandelte sich in einen hellen, wohnlichen und komfortablen Raum.
Schliesslich verging auch der März und der April kehrte ein. Frühling! Zeit des Aufbruchs! Aber war unser Wägelchen denn schon bereit? Da auch die Sonne den Frühling willkommen hiess konnten wir tatsächlich alle Fenster überprüfen, abdichten und trauten uns schliesslich die bereits vorgeschnittenen, wasserempfindlichen Weichfaserplatten einzubauen.Dann ein erneuter Schock: Erneuter Wintereinbruch, Schnee und Eis. An einem unserer Seitenfenster tropfte wieder das Wasser hinein. Na gut, dachten wir uns, packen wir es erstmal in Plastik ein. Später wollten wir das alte, viel zu kleine Fentser eh ersetzen. Wir planten nach Italien zu reisen. Denn dort gab es ein Land in Aussicht, auf welchem wir eventuell bleiben und uns in Selbstversorgung üben konnten. In „Bella Italia“, dem Land der Sonne, so dachten wir, könnten wir dann auch in Ruhe unser Auto zu Ende ausbauen. So räumten wir schliesslich unsere Wohnung leer, gaben die Schlüssel ab und waren bereit für die Reise. Doch das Leben liebte es dieser Tage uns ein Bein nach dem anderen zu stellen. Kurz vor der Abreise gab es einen Sturm. Als wir vom Küchenfenster einen Kontrollblick zu unserem Wohnmobil warfen konnten wir erst unseren Augen nicht trauen. Dort, wo zuvor das Alkovenfenster war, war nun ein Loch. Schnell rannten wir heraus, denn es begann auch noch in Strömen zu regnen. Da der Wagen mit der Schnauze voraus bergabwärts stand, floss das Wasser vom Dach genau in die Öffnung des fehlenden Fensters. In Nullkommanichts hatten wir einen richtigen Wasserfall, welcher unseren Wohnraum zu überfluten drohte. Schnell stellten wir Wannen unter und legten Handtücher aus. Dann spannten wir eine Plane über die vordere Hälfte des Autos. Bald hörte der Regen auf. Klitschnass standen wir da und fragten uns, ob wir die Reise nicht lieber abblasen sollten. Das Auto sogar wieder verkaufen? Wir haben mit unserem einjährigen Sohn doch schon genug Abenteuer und dieses ganze Sisyphosprojekt tat der Entspannung unseres Familienlebens nicht gerade gut. Aber was dann? Wir hatten bereits einem Seminar zugesagt, welches auf dem Land, das wir zu bewohnen hofften, stattfinden sollten. Zudem sollten wir zwei Menschen von Deutschland aus dorthin mitnehmen. Im Süden scheint ja ausserdem viel mehr Sonne, da würden wir dann schon zur Ruhe kommen. Zudem gibt es ja dieses Land dort, wo wir dann sowieso erstmal bleiben könnten.
So folgten wir dem Kopf: Wir klebten die leere Fensteröffnung mit Planen und Hochleistungsklebeband zu und starteten den Motor gen Süden. Auf dem Weg sammelten wir Mo und Kim ein und besorgten noch ein gebrauchtes Fenster, welches wir dann in der Sonne Italiens ganz gemütlich einbauen wollten…Und tatsächlich hatten wir dann in der Schweiz unseren ersten heissen Sonnentag des Jahres. Einen sehr heissen Sonnentag. Und zwar am Osterfreitag vor dem Gotthardtunnel. 8 Stunden standen wir dort im Stau, in der prallen Hitze. Nie zuvor haben wir solch viele Stunden im Stau verbracht. Spannenderweise war allerdings auch noch kein Stau so spassig gewesen. Wir sangen Lieder, picknickten, erzählten und teilten und bauten noch die ein oder andere Schranktür fertig ein.Schlussendlich kamen wir mitten in der Nacht an. Ein Land im Südpiemont, umgeben von Wald und Ausblick auf leicht besiedelte Hügel.Und die Sonne schien! Die nächsten zwei Tage kamen wir jedoch erstmal an. Das Fenster würden wir dann schon noch einbauen. Immerhin; seit vier Monaten hatte es keinen einzigen Tropfen Regen mehr gegeben. Das war zwar eine erschreckende Nachricht für die Natur, aber es liess uns auch erst einmal aufatmen. Hier konnten wir sicherlich ganz in Ruhe unser mobiles Heim auf Vordermann bringen. Tja… so dachten wir jedenfalls. Denn wir brachten unseren Fluch und des Landes segen: Vom dritten Tage an gab es sehr viel Regen. Immerhin; unsere provisorische Abdichtung mit Plastikplane hielt dem Wasser stand. Trotz des Regens, oder gerade deswegen, war für uns jedoch schnell klar, dass dies nicht unser Land sein würde. Denn der Regen war bloss ein Tropfen auf dem heissen Stein; Das Land war staubtrocken. Natürlich hätte man mit etwaigen Permakulturtricks das Wasser schon eingefangen bekommen, wir visionieren jedoch von einem Land mit Wasser in Fülle. Es gab auch etwaige andere Gründe, weshalb für uns schnell klar war, dass wir weiterziehen würden.Shanti, einer der Seminarleiter, verabschiedete uns zum Ende des Seminars mit den Worten: „Geht dorthin wo euer Herz euch hinruft“.
Aber wo war das? Lou und ich spürten den Drang nach Weite, nach Natur, Wildnis und Wasser. Wir sind viel im Süden unterwegs gewesen. Haben dort nicht wirklich das gefunden, was wir suchen. Bereits seit langem wollten wir Skandinavien besuchen, doch irgend etwas hielt uns immer davon ab. Jetzt schien uns die Zeit gekommen; Auf in den Norden!Doch die Odyssee sollte eine Odyssee bleiben. Eines Nachts, wir standen in den Alpen Italiens, da regnete und prasselte es mal wieder. Doch irgendetwas war anders. War da nicht ein Wassertropfen zu hören? Und noch einer? Als wir die Augen öffneten war über uns die hell bemalte Decke mit einem grossen feuchten Fleck verziert. Unser Dachlüfter war plötzlich wieder undicht. Und die Bettdecke war feucht. Verdammt… aber was tun? In dem Regen konnten wir nichts vernünftig abdichten. Also Augen zu und so tun als sei alles in Ordnung. Am nächsten Tag war der Fleck natürlich riesig. Dafür war es trocken und warm und wir konnten den Lüfter erneut abdichten. Nach dem nächsten Regenschauer wieder mal ein Schock: Die provisorische Abdichtung am Alkovenfenster war nicht mehr dicht. Auch dort hatte die Wand nun einen dunklen Fleck. Auch diese Undichtigkeit konnten wir beheben, aber genug Sonnenschein, als dass wir einfach das neue Fenster einbauen hätten können, gab es nie. Dafür überhitzte unser Motor regelmässig bei der Überquerung der Alpen … Zwischendurch wurden wir sogar abgeschleppt, bezahlten 600 Euro für einen neuen Kühler, nur um das Problem der Überhitzung weiterhin zu haben.
Diese und weitere Reiseschwierigkeiten wurden bald zur Normalität, auch wenn sie dadurch nicht leichter wurden:In einem Sturm kurz nach dem Pass machte es plötzlich KAWUMMS !!! , als sei etwas gegen unser Auto geschleudert worden. Nach ausführlicher Kontrolle stellten wir fest, dass der Wind die Metalldecke unserer Fahrerkabine eingedrückt hatte.Vielleicht lag es daran, vielleicht war es auch der ganz normale Verschleiss; in einem erneuten heftigen Gewittersturm, spritze auf einmal ein endloser Strahl Wasser auf den Beifahrersitz. Die Dichtung der Windschutzscheibe war hinüber. Glücklicherweise sass dort Lou und glücklicherweise hatte sie Elouans Essensschale auf dem Schoss, mit welcher sie das Wasser auffangen konnte. Leider wurde ihr beim nächsten Hubbel das ganze Wasser über den Schoss geschüttet. Das Fenster dichteten wir provisorisch mit Aluminiumklebeband ab; und siehe da, es ist auch heute noch dicht!!! Immerhin; unsere, zuvor hässlich graue Wohnkabine hat schliesslich einen hübschen, künstlerischen Anstrich bekommen. Dabei hat uns ein befreundeter professioneller Sprayer geholfen. Allerdings wurde das Kunstwerk nur zur Hälfte fertig. Natürlich aufgrund eines plötzlichen Gewitters. Erst als wir Ende Mai in Mecklenburg-Vorpommern bei Freunden Zwischenstopp machten, war endlich die Zeit gekommen, eine ausführliche Abdichtung vorzunehmen und das Fenster in der Alkove einzubauen. Es war natürlich viel mehr Arbeit als gedacht, da die Entfernung des alten Fensterrahmens für Risse in der Wand sorgten. Aber mit Hilfe unserer Freunde und mit ganz viel Kunststoff und Chemie wurde das Problem gut behoben. Wunderbar…Dafür gab`s einen Platten, da wir beim rangieren des Autos in eine Hake fuhren, welche im hohen Gras auf uns gelauert hatte.Damit wurde unsere Weiterfahrt nochmal verzögert. Immerhin gab es dann doch einige Sonnentage am Stück. Schliesslich fuhren wir nach Dänemark, setzten mit der Fähre nach Norwegen über und kamen Mitte Juni, trockenen Heimes, in Pipis Garden an. Pipis Garden ist der Wohnort von Lynx; eine wilde, jedoch sanfte Frau, welches ihr Wissen in steinzeitlichem Handwerk an andere Menschen weitergibt. Was wir dort mit ihr erlebten, das werdet ihr in unserem nächsten Blogbeitrag erfahren.Tatsächlich hatte es auch hier lange nicht mehr geregnet. Das Land war allerdings dafür erstaunlich feucht. Aber, wie das so unser Schicksal dieses Jahr nunmal ist, wartete der Regen natürlich nicht lange ab, um uns heimzusuchen. Es gab dann leider immer wieder das ein oder andere Überflutungsproblem. Unsere Matratze vor dem Ofen oder an der Sonne zu trocknen wurde zur Regel. Unsere Nerven waren irgendwann echt am Ende, aber irgendwie geht es ja dann doch immer wieder weiter.
Mittlerweile haben wir ein regelrechtes Trauma ausgebildet: Jeder Regenschauer erzeugt in uns ein Gefühl der Anspannung. Nachts wachen wir auf, um zu kontrollieren, ob noch alles trocken ist. Doch von Woche zu Woche entspannen wir uns wieder mehr. Und es scheint als sei jede Menge „Dekaseal“ und regelmässige Kontrolle die Zauberformel für eine trockene Wohnkabine. Und mal ganz ehrlich: Lieber ab und zu ein nasses Bett, als eine anhaltende Dürre. Im Vergleich zum Rest Europas geht es dem Norden hier sehr gut: Wasser ohne Ende. Vor allem sauberes Wasser. Wo kann man denn noch in irgendeinem beliebigen See baden und dabei einfach den Mund öffnen um reines Trinkwasser in sich aufzunehmen?
Trotz unserer Pechsträhne und einer anstrengenden Reise fühlen wir uns im Grunde doch regelrecht gesegnet. Auch wenn wir noch lange nicht dort zu sein scheinen, wo wir hin möchten: Statt unsere Hände in die Erde zu begeben, um unser Gemüse anzubauen, stecken sie in Plastikhandschuhen und schmieren irgendein giftiges Zeug an die Wand eines Umweltverpesters. Dafür haben wir jedoch die Freiheit und die Möglichkeit unsere Träume zu verwirklichen.Wir haben zwar noch nicht unseren „Tribe“ und unser „Heimatland“ gefunden, doch dafür sind wir, als kleine Familie, schon ein kleiner Tribe und miteinander fühlen wir uns sehr zu Hause.
Die Reise geht weiter…
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